In vielen Kampfsportdisziplinen ist die Einteilung in Gewichtsklassen sportliche Realität und taktischer Bestandteil der Wettkampfvorbereitung. Athleten versuchen deshalb häufig, kurzfristig Körpermasse zu reduzieren, um in einer niedrigeren Klasse antreten zu können und sich dadurch einen—zumindest theoretischen—Leistungsvorteil zu verschaffen.
Solche akuten Gewichtsreduktionen (Rapid Weight Loss / RWL) beruhen überwiegend auf Wasserverlust, Glykogenabbau und Reduktion von Magen-Darm-Inhalten. Wissenschaftliche Übersichten zeigen, dass diese Praktiken weit verbreitet sind, aber gleichzeitig mit messbaren physiologischen, psychologischen und leistungsbezogenen Konsequenzen einhergehen.
Inhaltsverzeichnis
Wesentliche Mechanismen, die beim Weight Cut genutzt werden, sind:
Glykogen- und Wasserverlust: Jedes Gramm Glykogen bindet Wasser. Glykogenbegrenzende Maßnahmen (low carb) führen daher zu raschem Wasserverlust.
Reduktion von Darminhalt (low-fibre / low-residue): Verringerte Ballaststoffzufuhr reduziert das Gewicht des Darminhalts.
Flüssigkeits- und Natriummanipulation: Kombinationen aus „water-loading“ (vorübergehend erhöhte Flüssigkeitszufuhr gefolgt von starker Reduktion) und Natriumbeschränkung induzieren Polyurie und verringern extrazelluläre Flüssigkeit.
Exogene Schwitz-Methoden: Sauna, heiße Bäder, „Mummy-Wraps“ oder Trainings in erhitzten/isolierten Kleidungsstücken (Schwitzanzug) erzeugen Schweißverluste zur kurzfristigen Reduktion des Körpergewichts.
Diese Mechanismen können die gewünschte Gewichtsreduktion schnell herbeiführen — zugleich sind sie aber physiologisch belastend und bergen Gesundheitsrisiken, insbesondere wenn sie unsachgemäß oder ohne medizinische Betreuung angewandt werden.
Die Praxis des Weight Cuts lässt sich grob in zwei Phasen unterscheiden: langfristiger Gewichtsabbau (moderatere Reduktion während der Vorbereitungszeit) und akute Gewichtsreduktion in den letzten Tagen/Stunden vor der offiziellen Waage.
Urintests (Urine Specific Gravity, USG) sind in Sportorganisationen verbreitet, um den Hydrationsstatus zu prüfen. Ein in vielen Leitlinien genannter Cut-off ist USG ≈ 1.020 (manche Verbände nutzen geringfügig andere Schwellen, z. B. ONE Championship mit ≤ 1.025).
Die Validität von USG ist nützlich, aber nicht unfehlbar — Messung und Interpretation haben Limitationen und können in bestimmten Situationen fehlleiten.
Medizinische Risiken und langfristige Folgen
Akute Gewichtsreduktion über Dehydration und exzessive Maßnahmen ist nicht ohne Risiko. Nachgewiesene Komplikationen umfassen:
Akutes Nierenversagen / Nierenfunktionsstörungen: Studien berichten über Assoziationen zwischen RWL und erhöhten Markern für Nierenschädigung. Schwere Fälle wurden dokumentiert.
Rhabdomyolyse: Intensive Schwitz- oder Trainingsprotokolle kombiniert mit Dehydrierung erhöhen das Risiko muskelschädigender Prozesse mit Nierenschädigungspotenzial.
Kardiovaskuläre Belastung: Elektrolytstörungen durch Flüssigkeits- und Natriumverlust können Herzrhythmusstörungen, Schwäche und Synkopen begünstigen.
Leistungsdefizite & kognitive Beeinträchtigung: Hypohydration beeinträchtigt Ausdauer, Kraft, Reaktionsvermögen und Entscheidungsfähigkeit, wodurch die eigentliche Wettkampfleistung leiden kann.
Hinzu kommen psychologische Belastungen und die Gefahr eines sich wiederholenden Zyklus von häufigen Gewichtsschwankungen, deren Langzeitfolgen noch unzureichend erforscht sind.
Evidenz-basierte Empfehlungen für ein verantwortungsvolles Vorgehen
Die internationale Fachliteratur und Positionspapiere empfehlen, Weight Cuts möglichst planvoll, medizinisch überwacht und mit minimalem Risiko durchzuführen. Wichtige, praktikable Eckpunkte:
Planung statt Panik: langfristige Beobachtung des Körpergewichts während des Trainingslagers reduziert die Notwendigkeit extremer Kurzmaßnahmen.
Begrenzung der akuten Reduktion: geeignete Zielwerte für kurzfristige Verluste liegen bei etwa 4,4 % Körpermasse 24 h vor der Waage. Geeignete Bereiche für 48–72 h sind geringfügig höher (siehe Positionsstandards). Diese Grenzen sollen das Risiko minimieren.
Professionelle Überwachung: medizinische Begleitung (Sportarzt, Ernährungsberater, Athletik-Trainer) während der letzten Tage ist dringend anzuraten. Messungen von Körpergewicht, Urinstatus und klinischer Beurteilung sind Pflicht, wenn aggressive Maßnahmen geplant sind.
Keine Diuretika oder Medikamente ohne ärztliche Indikation: der Gebrauch von pharmakologischen Diuretika oder missbräuchlicher Substanzen ist gefährlich und verboten. Er erhöht das Risiko elektroklytischer und renal-toxischer Komplikationen.
Post-Weigh-In-Rehydration: Ein strukturierter Plan zur Wiederherstellung von Flüssigkeit und Glykogen ist essenziell. Für Hypohydration über ~3 % des Körpergewichts empfehlen Experten initial orale Rehydratationslösungen (ORS) mit einem Natriumgehalt im Bereich ~50–90 mmol/L und Raten von ca. 1–1.5 L/h, gefolgt von kohlenhydratreichen, leicht verdaulichen Nahrungsmitteln. Das Ziel ist die Wiederherstellung der Wettkampffähigkeit in der verfügbaren Erholungszeit.
Beginn der Gewichtskontrolle frühzeitig im Camp für eine realistische Zielsetzung.
Regelmäßige, dokumentierte Gewichtskontrollen (mindestens täglich in den letzten 7 Tagen).
Vermeidung abrupt-extremer Flüssigkeitsentzüge. Saunagänge nur unter Aufsicht.
Rehydrations- und Nährstoffplan unmittelbar nach der Waage, abgestimmt auf Erholungszeit und individuelle Verträglichkeit.
Sofortige ärztliche Abklärung bei Schwindel, Brustschmerzen, sehr dunklem Urin, starkem Muskelschmerz oder Ohnmachtsneigung.
Aus einem praktischen Fall
Unsere frisch-gekrönte Muay-Thai-Weltmeisterin Stella Hemetsberger hat berichtet, wie ihre Diät bis zum Kampf aussah.
Ihre Aussagen spiegeln in der Praxis vielfach angewandte Strategien wider: kohlenhydrat- und ballaststoffreduzierte Ernährung in Kombination mit Natriumbeschränkung zur Herbeiführung von Gewichtsverlust sowie die Erkenntnis, dass Prüfverfahren (Urintests) und korrektes Trinken bis zur Waage eine Rolle spielen.
Ein Weight Cut ist die gezielte, kurzfristige Reduktion des Körpergewichts vor einem Wettkampf, um in einer bestimmten Gewichtsklasse antreten zu können. Dies geschieht meist durch Wasserverlust, Entleerung des Darms und Glykogenreduktion – weniger durch reinen Fettabbau.
Typische Methoden sind:
Low Carb & Low Fibre in den letzten Tagen, um Glykogen und Darminhalt zu verringern.
Natriumreduktion, damit weniger Wasser im Körper gespeichert wird.
Schwitzen (z. B. Sauna, heiße Bäder, Training in dicker Kleidung), um die letzten Kilos an Wasser zu verlieren.
Einige Verbände kontrollieren zusätzlich den Hydrationsstatus durch Urintests.
Experten empfehlen, nicht mehr als 4–5 % des Körpergewichts in den letzten 24 Stunden vor der Waage zu verlieren. Alles darüber hinaus erhöht das Risiko für gesundheitliche Schäden und Leistungseinbußen erheblich.
Zu den häufigsten Gefahren gehören:
Dehydration und Elektrolytstörungen
Einschränkung der Leistungsfähigkeit (Kraft, Ausdauer, Reaktionsfähigkeit)
Nierenbelastung und Risiko für akutes Nierenversagen
Kreislaufprobleme bis hin zu Ohnmacht oder Herzrhythmusstörungen. Langfristig können wiederholte, extreme Cuts die Gesundheit dauerhaft beeinträchtigen.
Frühzeitige Planung im Trainingslager statt auf extreme Last-Minute-Cuts zu setzen.
Professionelle Betreuung durch Sportmediziner oder Ernährungsberater.
Klare Grenzen einhalten: maximal 4–5 % kurzfristiger Gewichtsverlust.
Gezielte Rehydration und Ernährung nach der Waage, z. B. mit Elektrolytlösungen und leicht verdaulichen Kohlenhydraten.
Weight Cutting ist eine disziplinübergreifend verbreitete, technisch anspruchsvolle Praxis. Die wissenschaftliche Evidenz spricht dafür, die Methoden nicht ideologisch zu befürworten oder zu verteufeln, sondern evidenzbasiert, vorsorglich und mit medizinischer Aufsicht zu gestalten.
Phantom Athletics positioniert sich klar für Athletenwohlfahrt: Trainings- und Wettkampfstrategien sollen die Gesundheit langfristig schützen und kurzfristige Taktiken nur in einem medizinisch begleitetem Rahmen erfolgen.
International Society of Sports Nutrition — Position Stand: Nutrition and weight cut strategies for mixed martial arts and other combat sports. (Positionspapier mit Empfehlungen zu Glycogen-Depletion, Wasser-/Natriummanipulation, Rehydration-Strategien). PMC
Lakicevic, N. et al., 2021 — Effects of Rapid Weight Loss on Kidney Function in Athletes (Übersicht zu RWL und Nierenrisiken). PMC
Trivic, T. et al., 2023 — Rapid weight loss can increase the risk of acute kidney injury (Studienbefunde bei Ring-Sportlern). PMC
Barley, O. R. et al., 2020 — Reviewing the current methods of assessing hydration in athletes (Übersicht zu USG, Uosm, Urinfarbe; Validität und Limitationen). BioMed Central
National Athletic Trainers’ Association (NATA) — Position Statement: Fluid Replacement for the Physically Active(Empfehlungen zu Hydrationsmanagement, Messmethoden und Sicherheit). PMC
ONE Championship — Hydration-Testing-Policy (Beispiel für organisationsspezifische Hydrationstests; Anwendung von Urin-USG). onefc.com
GSSI (Gatorade Sports Science Institute) — Acute weight management in combat sports: pre weigh-in weight loss, post weigh-in recovery and competition nutrition strategies (Praktische Empfehlungen zur Rehydrierung und Leistungserhalt). GSSI