Ein sorgfältig ausgeführtes Warm-Up bildet im Kampfsport weit mehr als nur eine Einleitung in das Training. Es ist die stille, aber unverzichtbare Grundlage für Leistungsfähigkeit, technische Präzision und langfristige Gesundheit. Ob im MMA, Boxen, Kickboxen, BJJ oder Muay Thai – Athleten, die das Aufwärmen ernst nehmen, schaffen die Bedingungen für explosive Bewegungen, klare Reaktionen und robuste Gelenksstrukturen.
Dieser Beitrag beleuchtet die physiologischen Hintergründe, sinnvolle Inhalte und praktische Beispiele eines optimal strukturierten Warm-Ups für Kampfsportler.
Inhaltsverzeichnis
Warum ein strukturiertes Warm-Up im Kampfsport unverzichtbar ist
Ein qualitativ hochwertiges Warm-Up wirkt auf mehreren Ebenen gleichzeitig und bereitet den Körper systematisch auf die spezifische Belastung vor. Studien zeigen, dass gezieltes Aufwärmen nicht nur das Verletzungsrisiko signifikant senkt, sondern auch Leistungsparameter wie Explosivität, Koordination und Reaktionszeit verbessert.
Durch steigende Muskeltemperatur beschleunigen sich enzymatische Prozesse, die Durchblutung verbessert sich und die Gelenke erhalten vermehrt Synovialflüssigkeit – ein natürlicher Schmierstoff, der Bewegungen geschmeidig macht. Diese Effekte erhöhen sowohl Beweglichkeit als auch Kraftentfaltung.
Insbesondere im Kampfsport wirken hohe Kräfte auf Schultergürtel, Knie und Sprunggelenke. Ein Warm-Up aktiviert die umliegenden stabilisierenden Muskeln und schafft eine belastbare Grundlage für Kicks, Würfe und Schläge. Die Mehrheit der vermeidbaren Trainingsverletzungen tritt bei unzureichender Vorbereitung auf – ein Befund, den zahlreiche sportmedizinische Meta-Analysen bestätigen.
Ein leistungsförderndes Warm-Up folgt keinem Zufall, sondern einer klaren Struktur. In der Trainingswissenschaft hat sich die „RAMP-Methode“ etabliert – ein Modell, das sich besonders gut für Kampfsport eignet.
Diese erste Phase dient dazu, Herzfrequenz, Atmung und Körpertemperatur sanft zu steigern. Empfohlene Inhalte:
lockeres Seilspringen
leichtes Shadowboxen
Mobility-Läufe (Skipping, Side Steps, Shuffle-Runs)
Dieser Abschnitt sollte fünf bis sieben Minuten dauern und die Grundlage für alle weiteren Inhalte schaffen.
In dieser Phase werden gezielt jene Muskelgruppen aktiviert, die im Training besonders belastet werden. Dies inkludiert:
Hüftbeuger, Gluteus und hintere Kette
Schulterblattstabilisatoren
Core-Muskulatur
Gleichzeitig wird die Mobilität verbessert, etwa durch kontrollierte Gelenkskreise, dynamische Dehnbewegungen oder Mobility-Flows. Vor allem für Kickboxer, Thai-Boxer und BJJ-Athleten ist diese Phase unverzichtbar, da Hüftmobilität und Rumpfstabilität zentrale Leistungsfaktoren darstellen.
Empfohlene Übungen:
Hüftkreisen und Leg Swings
„World’s Greatest Stretch“
Schulterkreisen und Scapula-Push-Ups
Cat-Cow, Thread-the-Needle
Aktivierende Core-Übungen wie Dead Bugs oder Plank Variationen
Die letzte Stufe des Warm-Ups dient dazu, das Nervensystem zu „primen“. Das bedeutet: Es wird auf explosive Aktionen, schnelle Richtungswechsel, Kicks und Schlagkombinationen vorbereitet.
Mögliche Inhalte:
kurze, explosive Sprints
plyometrische Übungen wie kleine Hops, Bounds oder schnelle Box-Jumps
Technik-Sprints
Schlag- und Trittsequenzen mit zunehmender Intensität
leichte Partnerdrills oder Reaktionsübungen
Diese Phase dauert typischerweise zwei bis fünf Minuten und leitet nahtlos in das Haupttraining über.
Nicht jeder Kampfsport stellt dieselben Anforderungen. Ein differenziertes Warm-Up berücksichtigt daher Disziplin und Trainingsziel.
Schwerpunkte:
Schultergürtel-Stabilität
Rotatorenmanschette
Hüftmobilität
Reaktionsschnelligkeit
Beispiel-Elemente:
Seilspringen
Scapula-Warm-Up
leichte Jab-Cross-Sequenzen
dynamische Hüftöffnung vor Kicks
Zusätzlich wichtig:
Mobilisation von Knien, Sprunggelenken und Hüfte
Stabilität im Gleichgewicht für High-Kicks und Clinch
Empfehlungen:
Knee-Raises
Clinch-Bewegungsdrills
leichte Teeps für Balance und Hüftkontrolle
Durch die Vielseitigkeit des Sports sind mehrere körperliche Bereiche gleichzeitig gefordert. Ein MMA-Warm-Up muss daher sowohl Striking als auch Grappling berücksichtigen.
Beispiel-Inhalte:
Ganzkörper-Mobility
Level-Change-Drills
Sprawls
technische Bodenbewegungen („Shrimping“, „Bridging“)
Im BJJ steht die Wirbelsäulenmobilität, Hüftbeweglichkeit und Rotationskraft im Fokus.
Typische Warm-Ups:
Hip Escapes
Technical Stand-Ups
Rolling-Bewegungen
Guard-Retention-Patterns
Häufige Fehler im Warm-Up
Viele Kampfsportler unterschätzen das Aufwärmen oder verkürzen es stark. Zu den häufigsten Fehlern zählen:
Ein paar Minuten Joggen reichen nicht aus, um den Körper auf komplexe Schlag- und Wurfbewegungen vorzubereiten.
Wer direkt ohne Mobilisation in explosive Kicks oder Sparring einsteigt, produziert unnötig hohe Belastungsspitzen für Muskeln und Sehnen.
Statisches Stretching kann kurzfristig die Kraftentfaltung reduzieren. Es gehört, sofern notwendig, ans Ende eines Trainings – nicht an den Anfang.
Raise: 3–5 Minuten
Seilspringen oder leichte Shadow-Runden
Mobility-Running Variationen
Activate & Mobilize: 5–7 Minuten
Hüftmobilität, Scapula-Kontrolle
Core-Aktivierung
dynamische Beweglichkeitssequenzen
Potentiate: 2–3 Minuten
explosive Micro-Sprints
leichte Technik-Kombinationen
Reaktionsdrills
Ein strukturiertes Warm-Up erhöht die Körpertemperatur, verbessert die Beweglichkeit, steigert die Reaktionsfähigkeit und reduziert das Verletzungsrisiko erheblich. Es bereitet Muskeln, Gelenke und Nervensystem optimal auf die intensiven Bewegungen des Kampfsports vor.
Für die meisten Kampfsportarten genügen 12–15 Minuten, abhängig von Trainingsziel und Intensität. Vor hartem Sparring oder Wettkampf kann ein etwas längeres Warm-Up sinnvoll sein.
Nein. Statisches Stretching vor intensiven Belastungen kann die Kraftleistung kurzfristig verringern. Stattdessen sollte das Warm-Up aus dynamischen Bewegungen und Mobilisationsübungen bestehen. Statisches Dehnen gehört, wenn notwendig, ans Ende der Einheit.
Typische Warm-Up-Übungen sind:
Seilspringen oder leichtes Shadowboxen
Hüftmobilisation und Leg Swings
Schulterblattaktivierung (z. B. Scapula Push-Ups)
Core-Aktivierung (Dead Bugs, Planks)
leichte Technikdrills und Reaktionsübungen
Ja. Boxen benötigt mehr Schulterstabilität, BJJ mehr Hüftmobilität und Bodentechnik, Muay Thai stärkere Mobilität der Knie und Sprunggelenke. MMA vereint mehrere Anforderungen. Die Grundstruktur bleibt jedoch für alle gleich.
Ein gut durchdachtes Warm-Up ist die Eintrittskarte für ein produktives, verletzungsfreies und technisch sauberes Training im Kampfsport. Es wärmt nicht nur den Körper auf – es schärft den Geist, verbessert die Technik und legt den Grundstein für langfristigen Fortschritt.
Athleten, die das Warm-Up konsequent integrieren, investieren nicht nur in die Qualität ihres Trainings, sondern auch in die Langlebigkeit ihrer sportlichen Karriere.
Ausgewählte Quellen
Fradkin, A. J., Zazryn, T. R. & Smoliga, J. M. (2010). Effects of warming-up on physical performance: a systematic review with meta-analysis. PubMed
BMC Sports Science, Medicine and Rehabilitation (2023). A systematic review and net meta-analysis of the effects of different warm-up methods on the acute effects of lower limb explosive strength. SpringerLink
BMC Sports Science, Medicine and Rehabilitation (2022). The impact of passive heat maintenance strategies between an active warm-up and performance: a systematic review and meta-analysis. SpringerLink
BMC Medicine (2012). The effectiveness of neuromuscular warm-up strategies, that require no additional equipment, for preventing lower limb injuries during sports participation. SpringerLink
Warming-up and stretching for improved physical performance and prevention of sports-related injuries. (PubMed, 1985). PubMed
Esteban‑García, P. et al. (2024). Does the Inclusion of Static or Dynamic Stretching in the Warm-Up Routine Improve Jump Height and ROM in Physically Active Individuals? A Systematic Review with Meta-Analysis. MDPI


